Ein jahr nach Marias tod, von einem Bullen ermordet

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Eingegangen am 28/01/2021 bei malacoda.noblogs.org

Ein jahr nach Marias tod, von einem Bullen ermordet

Maria B. wurde vor einem Jahr am 24.01.2020  in ihrer Wohnung in Berlin von einem Bullen ermordet, nachdem ihr Mitbewohner die Polizei gerufen hatte, weil er sich von ihr bedroht gefühlt hatte. Vier Bullen sind in die Wohnung eingebrochen und einer von denen hat sie erschossen.

Am 24.01.2021 fand die Kundgebung vor dem Haus von Maria statt.

Dieser Text wurde übersetzt aus attaque.noblogs.org, vorgelesen und als Flyer verbreitet.

Welche Wahrheit, Welche Gerechtigkeit?

Der Missbrauch seitens der Polizei – wenn die Bullen erpressen, beleidigen, verprügeln, vergewaltigen, ermorden – das alles wird von den Dienern des Staates als Einzel- und Ausnahmefall beschrieben, als Ergebnis ungünstiger Umstände oder einem „faulen Apfel“ geschuldet.

Dies bedeutet zu behaupten, dass die Polizisten insgesamt tapfere Ritter im Dienste des Guten seien und dass ihre Arbeit unverzichtbar für die Gesellschaft sei.

Dennoch reicht es, sich ein bisschen umzuschauen, um zu sehen, dass Gewalt die Essenz von Herrschaft ist. Diese Gewalt wird aber oft verborgen oder normalisiert, als ob die Ausbeutung, die Angriffe, die Einsperrungen und die Ermordungen normal sein könnten.

Viel zu oft verurteilen die Opfer polizeilicher Gewalt und ihrer Angehörigen das Verhalten der Bullen nur in Bezug zum Einzelfall, von dem sie betroffen sind. Das Wesen der polizeilichen Institution und des Herrschaftssystems, dem sie dient, wird fast nie hinterfragt. Die Polizei hat eine Person getötet? Ihre Angehörige stellen eine Anzeige, organisieren stille Gedenkmärsche, unterdrücken ihre Wut und versuchen den Zorn derjenigen, die nach Rache schreien, zu besänftigen. Sie denunzieren das rassistische, faschistische und antidemokratische Abdriften eines Teiles der Sicherheitskräfte. Sie appellieren an dem Gesetz, dasselbe Gesetz, das in erster Linie zur Sicherung von Herrschaft und Ausbeutung existiert.

Wie oft hören wir den Ruf nach „Wahrheit und Gerechtigkeit“? Wahrheit: das „kriminelle“ Verhalten bestimmter Polizisten sollte erkannt werden – und demzufolge das „richtige“ Verhalten wiederhergestellt werden. Gerechtigkeit: die Verantwortliche sollten bestraft werden – damit das System gleichbleibt.

Und an wen werden diese Appelle gerichtet? An die Justiz der Gerichtshöfe natürlich! Diejenige Justiz für die die Polizei arbeitet und die es ohne Polizei nicht geben würde. Welche Wahrheit und welche Gerechtigkeit sind dann gemeint? Nur diejenige, die uns die Justiz – Instrument der politischen, ökonomischen und moralischen Macht – zugestehen wird.

All das bedeutet das Herrschaftssystem und seine Diener zu stärken. Es handelt sich dabei um einen Teufelskreis, aus dem man nicht mehr rauskommt.

Das Herrschaftssystem kann es manchmal hilfreich finden, ein bestimmtes Verhalten seiner Diener zu bestrafen, das als übertrieben wahrgenommen wird. Wir leben ja in einer Demokratie, vergessen wir das nicht! Und die „Beschwerden“ der Untertanen, wenn sie nur kleine Teile des Systems hinterfragen, können auch nützlich sein. Das System kann somit ihre Lücke und ihre Exzesse korrigieren und zugleich den Eindruck erwecken, dass sie seinen Untertanen zuhört. Dies stärkt das Herrschaftssystem und beseitigt die inneren Reibungen.

Solange es die Polizei gibt, wird es Polizeigewalt geben. Aber in alltäglichen Situationen ist die Polizei erfolgreicher, wenn sie vorgibt, ein besonderes Augenmerk für die Rechte der Bürger zu haben. Das Märchen der Demokratie und der Menschenrechte kann weitergehen.

Wer glaubt eigentlich an dem freundlichen Bullen? Es handelt sich immernoch um einen Bulle und er erledigt seine Arbeit besser als der brutale Bulle. Aber versuchen wir uns kurz vorzustellen, dass eine „freundliche“, „demokratische“ Polizei, die unsere „Rechte“ beachtet, möglich wäre. Was würde das bedeuten? Das auf der anderen Seite die Bevölkerung auch „freundlich“ sein würde.

Ein Herrschaftssystem, das sich mit der Maske der Demokratie verdeckt, diese riesige Lüge, hätte ein großes Interesse daran, dass die Polizei keine Gewalt mehr benutzt. Denn dies würde bedeuten, dass es ihr gegenüber Untertanen geben würde, die gehorchen würden. Der Schäferhund ist sanftmütig, wenn die Schafe sich fügen.

Eine Polizei zu wollen, die ihre Arbeit „gut“ erledigt, bedeutet also sich die eigene, gänzliche Unterwerfung zu wünschen.  Man würde keinen Knüppel mehr brauchen, weil jede_r schon ein Polizist – der mächtigsten – in seinem_ihrem eigenen Kopf hätte.

Das Hauptproblem ist also nicht die einzelne Gewalttat der Bullen. Das Problem ist die Existenz der Polizei, die Existenz des Staates, dem sie dient und schließlich die Existenz einer Gesellschaft, die auf Autorität und Knechtschaft basiert.

Deswegen wollen wir gar keine Polizei, nicht mal die demokratischste – vor allem nicht die demokratischste. Nicht weil die Bullen Mörder sind. Sondern weil das System, dass sie verteidigen und auferlegt wird, tödlich ist. Weil eine Welt, die die Polizei braucht, eine tödliche Welt ist. Weil wir keine Autorität mehr wollen! Weil wir frei sein wollen!

[Unter diesem Link der Originaltext auf Französisch: https://lucioles.noblogs.org/post/2014/02/05/quelle-verite-quelle-justice/].