Berlin, Deutschland: Wenn sie versuchen, uns zu brechen, werden wir explodieren!

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Eingegangen am 09/03/2021 bei malacoda.noblogs.org

Wenn sie versuchen, uns zu brechen, werden wir explodieren!

Für die Tage 10-11-12/03/2021 bereiten die Spekulanten und die Bullen den hundertsten Angriff gegen die Genoss*innen von Rigaer94 vor. Diesmal ist der Vorwand eine Scheininspektion, um die Einhaltung der Brandschutzvorschriften im Inneren des teilbesetzten Gebäudes zu überprüfen. Ein Inspektor im Sold des “Eigentümers” will zwischen dem 11. und 12. März das Haus betreten. Aus Angst um die Sicherheit des Inspektors beschlossen die Polizisten, eine rote Zone um das Haus zu schaffen, mit Parkverbot, Demonstrationenverbot, Entfernung aller Mülltonnen und faktisch einer erneuten Militarisierung der Gegend um die Rigaerstraße, wobei sie ihn natürlich während der Inspektion begleiteten.

Die Genoss*innen von Rigaer94 und wir alle glauben, dass dies ein weiterer Räumungversuch ist. Was folgt, ist der Text, der von unseren Genoss*innen veröffentlicht wurde, die unsere ganze Unterstützung und Solidarität haben.

Links zum Download der Poster sind am Ende des Beitrags zu finden.

Rigaer94: Was kostet die Drecksbude eigentlich?

Berlin, März 2021: Ein Konflikt, in dem es keine andere Möglichkeit geben wird als sich zu positionieren, eskaliert. Es geht nicht um Brandschutz. Dieses Argument ist nur Maskerade. Die Regierenden versuchen die Öffentlichkeit von der Moral ihres Handelns zu überzeugen und ein Spektakel zu erschaffen. Wir erklärten wiederholt, dass eine:r unabhängige:r Brandschutzgutachter:in jederzeit mit uns durch das Haus gehen kann, wie es auch schon 2016 und im November 2020 geschah. Da dieses Angebot ignoriert wird ist offensichtlich, dass es um die Vernichtung des seit dreißig Jahren bestehenden Projekts Rigaer94 geht. Dieser Einsatz bezweckt nichts anderes als eine Belagerung und eine schrittweise Verwandlung in ein zerstörtes, unbewohnbares, durch Gitter und Sicherheitsschleusen kontrolliertes Haus. Sie wollen uns räumen und die Verantwortlichen wählten für den Auftakt den 11. und 12. März 2021. Dieser Versuch wird auf unseren Widerstand stoßen.

Warum sprechen wir von einer Räumung? Bereits im Januar diesen Jahres schickte der vermeintliche Eigentümer-Anwalt Bernau einen Drohbrief an einige Mieter:innen, in dem er sie erpresste ihre Mietverträge bis zum 31.01.2021 zu kündigen. Ein “Angebot”, dem sie nicht nach kamen. Der selbsternannte Hausverwalter Luschnat hat angekündigt, die “Begehung“ zu nutzen, um am besagten Termin das Haustürschloss auszutauschen. Die Schlüssel sollen nur nach Vorlage eines Personalausweises und Mietvertrages ausgehändigt werden. Während das Landgericht Berlin erst am 10.3. über den Widerspruch gegen die Begehung unseres Hauses entscheiden wird, ist uns die brisante Information zu Ohren gekommen, dass es schon in den schmierigen Portfolios von Immobilienspekulant:innen als Verkaufsobjekt gehandelt wird. 1700 m² “unbewohnte Fläche“ zu einem Preis von 2000 €/m². Angeboten möglicherweise durch keinen anderen als einen Projektentwickler des Padovicz-Geflechts, Nudelmann & Friends Immobilien.

Wenige Monate vor den Wahlen ist der politische Druck hoch. Niemand will die Verantwortung dafür tragen, an unserer Entschlossenheit zu scheitern, diesen Raum und die ihm innewohnende Idee zu verteidigen. Alle wollen die Lorbeeren einstreichen, die Straße zu befrieden und einen weiteren Teil dieser Stadt nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Das bedeutet konkret dieser Stadt einen weiteren lebenswerten Raum zu entreißen und dem Kapital den Boden zu bereiten, den Reichtum einiger weniger zu vermehren.

Während Baustadtrat Florian Schmidt bereits aus Angst vor den Konsequenzen seines eigenen Handelns zurückrudert, zweifelt nun auch Justizsenator Behrendt an der Rechtmäßigkeit des aktuellen Vorgehens. Konsequenz dessen ist, dass der Senat am Freitag (5. März) über Schmidts alternativen Lösungsvorschlag entscheiden möchte. Schmidt schlägt eine Begehung durch eine:n Mitarbeiter:in der Bauaufsicht aber ohne Bullen vor. Während das Lager unserer Feind:innen in der Politik gespalten ist, wird sich noch herausstellen, ob sich Politiker:innen von Geisel (Innensenator, SPD) bis Dregger (politischer Brandstifter, CDU), die ihr Spiel um Macht auf unser aller Rücken austragen, die Finger an uns verbrennen werden. Der rot-rot-grüne Senat kann fadenscheinige sozialdemokratische Konzepte wie Mileuschutz und Mietendeckel nicht nutzen, um zu verbergen, dass seine Politik in erster Linie seit jeher niemand anderem als der kapitalistischen Klasse dient.

Seit Jahrzehnten versuchen Machthabende, die Kontrolle über und die wirtschaftliche Nutzung der Stadt zu maximieren, indem sie ein Hindernis nach dem anderen beseitigen. Ein solches Hindernis war die Zeltstadt Rummelsburger Bucht. Ihre Räumung wurde als „humanitär“ getarnt, während sie in Wirklichkeit das Ziel verfolgte den Bau von Coral World zu ermöglichen. Solche Räumungen sind Teil einer umfassenderen Strategie, alles loszuwerden, was dem Profit im Wege steht oder nicht in die hegemoniale Vision der Stadt passt. Es werden selbstorganisierte Räume zerstört, in denen sich Menschen zusammenschließen, um dem Elend zu entkommen, in das sie von Vermieter:innen, Herrschenden, Bossen, Bullen oder Machos gedrängt werden, die sie täglich konfrontieren und ausbeuten, am Arbeitsplatz, in persönlichem und öffentlichen Raum.

Auch Orte wie der KØPI Wagenplatz, das autonome Jugendzentrum Potse, die Voigstraße 36 oder die Kollektivkneipe Meuterei sind bedroht von denen, die ihr Profitstreben befriedigen wollen. Die verantwortlichen Gesichter mögen von Räumung zu Räumung variieren, die Logik dahinter bleibt dieselbe. Jeder Lakai, der versucht, seinen Besitz zu erweitern und Profite zu einzustreichen, indem er Räume und Ideen bedroht und angreift, hat das gleiche Ziel und das gleiche Maß an Verantwortung. Unsere Kämpfe hingegen sind miteinander verbunden, da wir die selben Feind:innen haben. Hinter den Kulissen bedrohen Leute wie „Freiherr“ von Aretin auf verschiedenen Ebenen Existenzen und Ideen. Während er Abteilungsleiter für Reprivatisierung in der Treuhand war, ist seine Kanzlei heute in Waffenexporte verwickelt. Das Zusammenwirken von Staat und Kapital ist bei jedem Räumungsversuch sichtbar. Bullen, Politik, Justiz, Wissenschaft und Medien treten gemeinsam auf, um politische Positionen und Mittel der staatlichen Gewalt zu legitimieren. In konzertierten Aktionen greifen sie unsere Strukturen an.

Das Kapital hat sich Worte wie „alternativ“ und das dazugehörige Image angeeignet, um uns eine Stadt zu verkaufen, die in Wirklichkeit grau und nur für diejenigen sicher und zugänglich ist, die Geld haben. Der Neoliberalismus hat längst Einzug in die Stadtplanung gefunden und das Konzept der „Aufwertung“ funktioniert als repressiver Gesamtplan. Er verwandelt die Orte, die wir schätzen, in unbequeme und kontrollierbare Orte. Der Senat greift unsere politischen Strukturen in der Metropole an, was zu einer direkten Konfrontation zwischen ihm und uns führt.

Wir als Rigaer94, zu denen auch der autonome Jugendclub Keimzelle und der offene Raum Kadterschmiede gehören, sind Teil der bedrohten autonomen Strukturen. Wir haben uns entschieden selbstbestimmt, sozial, politisch miteinander zu leben und uns von unten zu organisieren. Wir haben uns entschieden, uns gegen die Mechanismen von Staat und Kapital innerhalb und außerhalb der Mauern unseres Hauses zu wehren. Wir unterstützen und schaffen Orte des Widerstands in der Stadt, wir verbreiten unsere Ideen von selbstorganisierten Gemeinschaften. Orte, an denen unsere Gemeinschaft wächst, um sich gegenseitig zu helfen, voneinander zu lernen und um sich dem System zu widersetzen. Orte, an denen sich die Jugend autonom, ohne die Kontrolle von Eltern, Lehrer:innen oder Chefs, treffen kann. Orte, um sich kollektiv zu wehren wenn jemand von Autoritäten unterdrückt wird und um rebellische Nachbarschaften zu schaffen, in denen Widerstand von einer breiteren Kollektivität unterstützt werden kann. Um die Normen zu überwinden, die uns diese Gesellschaft aufgezwungen hat.

Unsere politische Infrastruktur ist nicht nur für die Bewohner:innen unseres Hauses wichtig, sondern auch für eine breitere Gemeinschaft, die sich gegen Unterdrückung und Diskriminierung organisiert. Offene Strukturen, in denen eine Atmosphäre von Vertrauen und einer solidarischen Nachbarschaft wachsen kann. Strukturen, die kämpfende und revolutionäre Individuen zusammenbringen, um dazu beizutragen, die Idee von Autonomie und Kollektivität durch Diskussionen und Aktionen zu verbreiten. Gruppen und Einzelpersonen, die sich in Räumen jenseits von Konsum und Arbeitsausbeutung treffen, wo Menschen sich wohlfühlen, essen, trinken und aufwärmen können, egal ob sie Geld haben. Wo radikale Ideen auf Broschüren und Plakate gedruckt oder an Wände gemalt werden, die die:den Einzelne:n umgeben und ermutigen.

Die Verteidigung dieser Strukturen gehört nicht nur denjenigen, die in ihnen leben, sondern allen, die sich in ihnen wiederfinden können. Es ist ein Kampf nicht nur für uns, sondern für alle! Lasst uns auf der Straße in die Offensive gehen! Keine Ruhe für Vermieter:innen und Staatsdiener:innen!

Wir rufen alle, die unter diesem System leiden, dazu auf, sich unserem Kampf anzuschließen und die Auswirkungen der ständigen staatlichen Angriffe zu erkennen. Ihre eigenen Feinde anzugreifen, jene, die uns täglich und ständig unterdrücken. Lasst uns gemeinsam für kollektive Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Selbstbestimmung eintreten, am und über den 11. & 12. März hinaus. Lasst uns als Bewegung verschiedene Formen und Mittel des Widerstands zeigen.

Wenn sie versuchen, uns zu brechen, werden wir explodieren!

Solidarität ist unsere Waffe,
Rigaer94.

[Hier den originalen Text: rigaer94.squat.net].